Donnerstag, 5. Dezember 2013

"OLDBOY" (2013) Review




Da habe ich mich doch tatsächlich in Zeiten des Orkans (welcher hier in der Hamburger Innenstadt nicht gerade doll spürbar war) ins Kino getraut, um mir doch mal Spike Lee's Variante des OLDBOY-Stoffes einzuverleiben. Es war ein Fehler, ich geb es zu, Spike Lee KANN NIX!

Natürlich war es von Anfang an irgendwie klar, dass Lee nicht unbedingt die gestalterische Virtuosität eines Park Chan-Wook erreichen würde, selbst wenn die Grundstory sich nicht unbedingt geändert hat, in fähigen Händen dennoch einen durchaus starken Eindruck inkl. moralischer Zwiespältigkeit und einem gesteigerten, mitreißenden Interesse am Mysterium hinterlassen kann. Doch wie Lee es hier geschafft hat, eine so dankbare Vorlage komplett misshandelt und eintönig abzuliefern, ist schon ein Kunststück für sich.

So raubt er dem Narrativ und seinen Figuren jeglichen Charme sowie innere/äußere Spannung, akzentuiert sich auf eine gefühllose, hingeschluderte Highlight-Reel vom Originalfilm und füllt den Rest mit belanglosem, ermüdend-uninspirierten Laberfutter, dass es mich graust daran zu denken, es gäbe noch 1 Stunde mehr davon - diese könnte vielleicht der Charakterzeichnung ein bisschen behilflich sein, doch ich bezweifle es, dass sie über ihren höchst plakativen, überzeichneten Schatten springen dürfte.

Überzeichnet ist da sowieso ein treffendes Stichwort, ergötzt sich Lee an seiner komplett durchgezogenen, selbstzweckhaften, Aussage-freien, zynisch-sleazigen Grundstimmung mit reichlich fremdschämerischen FUCK FUCK FUCK-Dialogen und beinahe comichaft ausgespielten Torture-Porn-Szenarien, welche an wahllosen Stellen durch neu geschriebene Widerlichkeiten ergänzt werden, anstatt eine gewisse, emotionale Nähe zum bekannten Geschehen aufzubauen.

So kommt es auch, dass OLDBOY '13 teilweise unfreiwillig komisch daherkommt, nicht nur wegen den stilistischen Entscheidungen und sinnlosen Änderungen zur Vorlage, sondern auch aufgrund von billig-aufgelösten, beiläufigen Nonsense-Momenten und einem Drehbuch, in welchem die Charaktere jede einzelne Emotion laut aussprechen müssen, anstatt dass irgendwas durch die Bilder transportiert wird - sodann extrem schlampig wirkt und nur schwer über seine emotionale Leere hinwegtäuschen kann, welche im Original im Grunde vielleicht nicht unbedingt gehaltvoller war, aber einfach nur durch die meisterhafte Gestaltung schon weitaus gewichtiger und glaubwürdiger vermittelt wurde.

Ich wollte ja eigentlich den obligatorischen Vergleich mit dem Original vermeiden, also hab ich versucht, den Film so gut es geht mit objektiven Augen zu betrachten. Aber er funktioniert selbst als eigenständiger Film in seinem Gesamtkonzept einfach kein Stück. Erst recht, sobald Lee's Variante das Original direkt zitiert. Da wäre zum einen die 'One-Shot'-Kampfszene, die in Lee's Variante fast exakt so übernommen wurde, jetzt aber in seinen höchstaufwendigen Steadycam-Spielereien wie ein stilistischer Fremdkörper wirkt, wo der Rest der Kameraarbeit im Film doch handheld gelöst wurde. Natürlich konnte er sich hier zudem nicht verkneifen, diese konzentriert-klaustrophobische Szene 'aufwändiger' weiterzudenken, verlagert sie in eine offene Tiefparkgarage, wo immer mehr Gegner auf den OLDBOY Joe zurennen, der sie so perfekt und kunstvoll choreographiert verdrischt, dass es zwar übertrieben ruppig (alà Basketballplatz-Fight in EXPENDABLES), aber noch viel mehr schmerzhaft-konstruiert und hölzern wirkt.

Und lasst mich erst nicht damit anfangen darüber zu reden, was hier aus dem Ende der Geschichte rausgeholt wurde - komplett überbordender, selbstbelügend-kitschiger, pseudo-cleverer Vergebungs- und Buße-Happy-End-Schlock wie direkt aus einem billigen Glückskeks. Eine Blamage sondergleichen für einen Streifen, der sich anfangs noch als Hardboiled-Crime-Reißer ausgeben wollte.

Und das Schlimme ist, dass hinter diesem offenbar interessant-misslungenen Projekt dennoch kaum Ambition gesteckt zu haben scheint. Jede einzelne Minute ertrinkt mehr und mehr in der austauschbaren Beliebigkeit des Handlings mit dieser potenziell interessanten Thriller-Geschichte - wirkt dabei nicht weniger cheap als die Skinemax-Streifen, die sich Josh Brolin als Joe gerne reinzieht, weil er ja von Anfang an als ein verkommener Assi dastehen muss, da er natürlich immer einen Flachmann parat hat, fremde Weiber angrabbelt und seine Frau mit endlosen Tiraden zusammenschreit, damit auch jeder im Publikum anhand klischeehaftester Zeichen kapiert: der ist am Arsch. Genauso darf auch nicht fehlen, unter Archiv-Aufnahmen von George W. Bush und Obama hinzuschreiben, was für Leute das sind und in welchem Jahr wir uns befinden, kurz nachdem Bilder von 9/11 gezeigt wurden. Man, echt schwer einzuordnen, Leute.

Und wie theatralisch-durchgeknallt sein Gegenspieler Sharlto Copley hier den Bösewicht gibt, ist wohl die affektierteste Clowns-Parade seit Colin Farrell in DAREDEVIL. Noch klarer kann wohl niemand aussprechen: was für eine merkwürdige Type ich doch bin, schnipp-schnipp-schnapp.
Nichtmal Elizabeth Olsen kann gegen die planlose Umsetzung ihrer Figur was unternehmen, wird doch jede romantische Chemie zum OLDBOY als selbstverständlich aufgefasst, nur leider außerhalb des Narrativs - endet aus dem Nichts heraus, ohne bestimmten Aufbau dorthin, in einer ruppig aufgezeichneten Sexszene. Ich muss zwar zugeben, dass sie an sich ein angenehmer Augenfang ist und mit Leichtigkeit das visuelle Highlight des Films darstellt - aber mein Gott, was für eine Verschwendung.

Und das obwohl ich noch anfangs durchaus der Hoffnung war, dass ein gestandener Autorenfilmer wie Spike Lee einen persönlichen, interessanten Stempel auf dieses Projekt drücken könnte, wo er doch sogar Joe's Jahre in der 'Zelle' einigermaßen gelungen, wenn auch schäbig-aufgedunsen, umsetzte. Danach weiß er aber eben nichts mehr mit dem Stoff anzufangen und langweilt sich mit dem Zuschauer zusammen ins frühzeitig herbeigeführte Ende. Was ein Elend!

Nachtrag: falls doch noch eine Extended-Fassung rauskommt, gebe ich dem Film nochmal eine Chance und selbst, wenn ich mich nur wieder am ersten Akt, dem ausrastenden Josh Brolin und seiner Quietscheente erfreuen kann.