Da habe ich mich doch
tatsächlich in Zeiten des Orkans (welcher hier in der Hamburger
Innenstadt nicht gerade doll spürbar war) ins Kino getraut, um mir doch
mal Spike Lee's Variante des
OLDBOY-Stoffes einzuverleiben. Es war ein
Fehler, ich geb es zu, Spike Lee
KANN NIX!
Natürlich war es von Anfang an irgendwie klar, dass Lee nicht
unbedingt die gestalterische Virtuosität eines Park Chan-Wook erreichen
würde, selbst wenn die Grundstory sich nicht unbedingt geändert hat, in
fähigen Händen dennoch einen durchaus starken Eindruck inkl. moralischer
Zwiespältigkeit und einem gesteigerten, mitreißenden Interesse am
Mysterium hinterlassen kann. Doch wie Lee es hier geschafft hat, eine so
dankbare Vorlage komplett misshandelt und eintönig abzuliefern, ist
schon ein Kunststück für sich.
So raubt er dem Narrativ und seinen Figuren jeglichen Charme sowie
innere/äußere Spannung, akzentuiert sich auf eine gefühllose,
hingeschluderte Highlight-Reel vom Originalfilm und füllt den Rest mit
belanglosem, ermüdend-uninspirierten Laberfutter, dass es mich graust
daran zu denken, es gäbe noch 1 Stunde mehr davon - diese könnte
vielleicht der Charakterzeichnung ein bisschen behilflich sein, doch ich
bezweifle es, dass sie über ihren höchst plakativen, überzeichneten
Schatten springen dürfte.
Überzeichnet ist da sowieso ein treffendes Stichwort, ergötzt sich
Lee an seiner komplett durchgezogenen, selbstzweckhaften,
Aussage-freien, zynisch-sleazigen Grundstimmung mit reichlich
fremdschämerischen
FUCK FUCK FUCK-Dialogen und beinahe comichaft
ausgespielten Torture-Porn-Szenarien, welche an wahllosen Stellen durch
neu geschriebene Widerlichkeiten ergänzt werden, anstatt eine gewisse,
emotionale Nähe zum bekannten Geschehen aufzubauen.
So kommt es auch, dass
OLDBOY '13 teilweise unfreiwillig komisch
daherkommt, nicht nur wegen den stilistischen Entscheidungen und
sinnlosen Änderungen zur Vorlage, sondern auch aufgrund von
billig-aufgelösten, beiläufigen Nonsense-Momenten und einem Drehbuch, in
welchem die Charaktere jede einzelne Emotion laut aussprechen müssen,
anstatt dass irgendwas durch die Bilder transportiert wird - sodann
extrem schlampig wirkt und nur schwer über seine emotionale Leere
hinwegtäuschen kann, welche im Original im Grunde vielleicht nicht
unbedingt gehaltvoller war, aber einfach nur durch die meisterhafte
Gestaltung schon weitaus gewichtiger und glaubwürdiger vermittelt wurde.
Ich wollte ja eigentlich den obligatorischen Vergleich mit dem
Original vermeiden, also hab ich versucht, den Film so gut es geht mit
objektiven Augen zu betrachten. Aber er funktioniert selbst als
eigenständiger Film in seinem Gesamtkonzept einfach kein Stück. Erst
recht, sobald Lee's Variante das Original direkt zitiert. Da wäre zum
einen die '
One-Shot'-Kampfszene, die in Lee's Variante fast exakt so
übernommen wurde, jetzt aber in seinen höchstaufwendigen
Steadycam-Spielereien wie ein stilistischer Fremdkörper wirkt, wo der
Rest der Kameraarbeit im Film doch handheld gelöst wurde. Natürlich
konnte er sich hier zudem nicht verkneifen, diese
konzentriert-klaustrophobische Szene 'aufwändiger' weiterzudenken,
verlagert sie in eine offene Tiefparkgarage, wo immer mehr Gegner auf
den
OLDBOY Joe zurennen, der sie so perfekt und kunstvoll
choreographiert verdrischt, dass es zwar übertrieben ruppig (alà
Basketballplatz-Fight in
EXPENDABLES), aber noch viel mehr
schmerzhaft-konstruiert und hölzern wirkt.
Und lasst mich erst nicht damit anfangen darüber zu reden, was hier
aus dem Ende der Geschichte rausgeholt wurde - komplett überbordender,
selbstbelügend-kitschiger, pseudo-cleverer Vergebungs- und
Buße-Happy-End-Schlock wie direkt aus einem billigen Glückskeks. Eine
Blamage sondergleichen für einen Streifen, der sich anfangs noch als
Hardboiled-Crime-Reißer ausgeben wollte.
Und das Schlimme ist, dass hinter diesem offenbar
interessant-misslungenen Projekt dennoch kaum Ambition gesteckt zu haben
scheint. Jede einzelne Minute ertrinkt mehr und mehr in der
austauschbaren Beliebigkeit des Handlings mit dieser potenziell
interessanten Thriller-Geschichte - wirkt dabei nicht weniger cheap als
die Skinemax-Streifen, die sich Josh Brolin als Joe gerne reinzieht,
weil er ja von Anfang an als ein verkommener Assi dastehen muss, da er
natürlich immer einen Flachmann parat hat, fremde Weiber angrabbelt und
seine Frau mit endlosen Tiraden zusammenschreit, damit auch jeder im
Publikum anhand klischeehaftester Zeichen kapiert: der ist am Arsch.
Genauso darf auch nicht fehlen, unter Archiv-Aufnahmen von George W.
Bush und Obama hinzuschreiben, was für Leute das sind und in welchem
Jahr wir uns befinden, kurz nachdem Bilder von 9/11 gezeigt wurden. Man,
echt schwer einzuordnen, Leute.
Und wie theatralisch-durchgeknallt sein Gegenspieler Sharlto Copley
hier den Bösewicht gibt, ist wohl die affektierteste Clowns-Parade seit
Colin Farrell in
DAREDEVIL. Noch klarer kann wohl niemand aussprechen:
was für eine merkwürdige Type ich doch bin, schnipp-schnipp-schnapp.
Nichtmal Elizabeth Olsen kann gegen die planlose Umsetzung ihrer
Figur was unternehmen, wird doch jede romantische Chemie zum
OLDBOY als
selbstverständlich aufgefasst, nur leider außerhalb des Narrativs -
endet aus dem Nichts heraus, ohne bestimmten Aufbau dorthin, in einer
ruppig aufgezeichneten Sexszene. Ich muss zwar zugeben, dass sie an sich
ein angenehmer Augenfang ist und mit Leichtigkeit das visuelle
Highlight des Films darstellt - aber mein Gott, was für eine
Verschwendung.
Und das obwohl ich noch anfangs durchaus der Hoffnung war, dass ein
gestandener Autorenfilmer wie Spike Lee einen persönlichen,
interessanten Stempel auf dieses Projekt drücken könnte, wo er doch
sogar Joe's Jahre in der 'Zelle' einigermaßen gelungen, wenn auch
schäbig-aufgedunsen, umsetzte. Danach weiß er aber eben nichts mehr mit
dem Stoff anzufangen und langweilt sich mit dem Zuschauer zusammen ins
frühzeitig herbeigeführte Ende. Was ein Elend!
Nachtrag: falls doch noch eine Extended-Fassung rauskommt, gebe ich dem
Film nochmal eine Chance und selbst, wenn ich mich nur wieder am ersten
Akt, dem ausrastenden Josh Brolin und seiner Quietscheente erfreuen
kann.