Montag, 27. Januar 2014

Wiederentdeckung des Kinos im LONE RANGER




Im August 2013 schrieb ich zu Gore Verbinskis LONE RANGER:

"[...] Lone Ranger ist für einen Familienfilm nicht nur ausserordentlich drastisch-naturalistisch brutal, bizarr und von einer unheilvollen Stimmung beherrscht - er ist zudem noch eine schmerzhafte, herzbrechende Abrechnung mit dem Genozid an den Ureinwohnern Amerikas durch abgrundtief-eklige Silberfanatiker und Südstaatensoldaten, welche in dieser Form wohl schon seit Langem nicht mehr so hautnah und kraftvoll vermittelt wurde, erst recht nicht in (vermeintlichen) Blockbusterstreifen wie diesem.

Umso mehr freut man sich dann, wenn Tonto für sein geschlachtetes Volk mit Hilfe des Rangers zurückschlägt und ein akrobatisch-gewitztes Train-Chase-Finale entfesselt, dass in seiner Greenscreen-Künstlichkeit zwar nur bedingt mit den Kunststücken eines Buster Keaton und seines "Generals" mithalten kann, dafür aber eine zelebröse Katharsis gegen die xenophob-fatale Finsternis unter dem Gebrüll der Wilhelm-Tell-Overtüre abliefert, die beinahe so befreiend und verspielt wirkt wie die besten Momente vom anderen großen Revisionismus-Western diesen Jahres, DJANGO UNCHAINED.

Nebenbei liefert Gore Verbinski auch sowieso einen stilsicheren, klassischen und recht harten Western ab - mit malerischen Canyon-Panoramen, Morricone-artigen Wehmuts-Score, Saloons, Banditen, Eisenbahn-Hype, korrupten Unternehmern, Indianerweisheiten und Flashback-Strukturen, die ohne Zweifel an Leone's SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD (Tonto's Origin-Story) und ES WAR EINMAL IN AMERIKA (die Rahmenhandlung vom alten Tonto, der einem kleinen Jungen von seinen Abenteuern erzählt) angelehnt sind.[...]"

 
Vor kurzem habe ich nochmals diesen (vorallem von Kritikern) verschmähten, großen Kassenflop von Gore Verbinski gesichtet, der sich für mich dieses Mal noch viel mehr wie das letzte Hurrah des amerikanischen Eskapismus-Kinos anfühlte - in seinem exzessiven Budget für die ganz große Unterhaltungs-Palette (womit das Filmemacher-Team ganz im Sinne der Sensationsschausteller, welche sowieso durchweg einladend im Film vorkommen, an die Reizorgane des Zuschauers appellieren will), seinem Panoptikum aus Verbeugungen vor allen Inkarnationen des Western-Genres und seiner Erzählstruktur, die sich durch ein niederschmetterndes, bitteres Tal der Tränen kämpfen muss, um zum Finale dann doch noch einmal die große befreiende Power des Kinos auf dem Walküren-Ritt loszulassen.


Allerdings auch mit einem Ansatz der Hoffnung, eben endlich aus jener Finsternis des modernen Blockbusterkinos zu entkommen und wieder beherzt-liebenswerten, gewitzt-freudigen Spaß zu haben. Die stärkste Szene, welche genau diese Mentalität am Konzentriertesten und Ergreifendsten in die Seele schlägt, befindet sich überraschenderweise im Abspann, welcher zuerst im Dunkeln durch ungestüme, brutal-ehrfürchtige Wellen des Scores reitet und sich dann wie aus dem Nichts in einer malerischen Aussicht auf die uralten Canyons wiederfindet, wo der ebenso uralte Tonto, der schon soviel in seinem Leben erlebt, gesehen und verloren hat, ein fester Bestandteil dieser Landschaft geworden ist - nachdem er in der Rahmenhandlung des Films seine Geschichte vor einer plakativ-künstlichen Kulisse/Hülle dieses Ambientes erzählen durfte -, sodann bis zum Horizont voranschreitet.

 
Findet er hier sein gewisses Schicksal, sprich sein Ende, oder doch seinen seligen Frieden, die entgegenkommende und umarmende Heimat, mit der er sein spannendes und aufregendes Dasein geteilt hat und auf die wir alle auch seit Ewigkeiten hinaufblicken, bis zum jetzigen Moment: die Leinwand, das Kino, der ewig währende Zauber, eingefangen in einem uramerikanischen und ur-cineastischen Panorama, unterstrichen von den bittersüßesten, elegischsten und einfühlsamsten Tönen, die Hans Zimmer seit gefühlt 'True Romance' schrieb. Der vorherrschende Pioniergedanke im Film, der sich durch korrupte Machenschaften der Bösewichte im frischen, wilden Amerika ausdrücken soll, kann insofern auch erst im Einklang mit dem Alteingesessenen, der Natur, sprich dem guten Geist wirklich gelingen - ein wahrhaftig kraftvolles Statement und eine tief-einschlagende Liebeserklärung an das klassische Kino. Wie konnten das nur so wenige erkennen?

Oh, wie mir die Tränen flossen. Ich wünschte, ich könnte den kompletten Abspann hier jetzt verlinken. Das Beste was ich da finden konnte, war dieses Video hier ohne das vorhergehende, finstere Schwarz am Anfang der Credits - hoffe aber, dass man meine Gedanken da trotzdem irgendwo nachvollziehen kann. Ansonsten bleibt einem aber noch immer die Möglichkeit, den Film an sich anzuschauen, was ich dringend empfehle. Wer weiß, wie lange wir noch solche Filme - Ausgestoßene, Gefloppte, Ambitionierte, Gewagte, Kinoliebende - noch haben werden.

Donnerstag, 23. Januar 2014

"I, FRANKENSTEIN" (2014) Review




Willkommen in der Hölle: ultra-standardisiertes Monsteraction-Kino aus der Underworld-Ecke, derartig seelenlos (was man dem Creature-Protagonisten gefühlte 100mal vorwirft) und austauschbar, sowohl in seiner scheinbar per Lückentext abgearbeiteten Storyline und Dialogarmut (soll nicht heißen, dass es zu wenig Dialoge gibt, sondern hauptsächlich langweiligste 08/15-Oneliner wie 'Fahr zur Hölle, Dämon', 'Es endet heute Nacht' und 'Ich bin ein Dämonenprinz, hahaha!'), als auch in seinem einschläfernd-gedimmten Look (den es auch in noch schlimmer mit 3D gibt) vereint mit einem beliebigen Instant-Tension-Soundtrack, der an sich auch GEMA-frei sein könnte.

Ein einziger, großer Haufen Matsch, mit reichlich CGI-Kämpfen zwischen ca. 5 klobig-einfallslosen Sets. Schneiden da die Charaktere besser ab? Natürlich nicht. Die arbeiten genauso lasch mit biedersten Klischees, lustlos abgefertigten, Exposition-erfüllenden Phrasen en masse, besitzen keine dramatische Fallhöhe und versauern machtlos im zwecklos-vorhersehbaren Narrativ. Und glaubt nicht, dass man sich das ganze Charisma für die Kreatur des Frankensteins, hier Adam genannt, aufgehoben hätte. Grimmig schaut er drein, schindet mit dramatischen Zeitlupen Eindruck, obwohl er nicht mal irgendwas Außergewöhnliches oder Bedrohliches an sich hat - ist nicht mehr als ein normaler Typ mit einigen Narben und Eyeliner im Gesicht. Hätte sich Eckhart wenigstens vorher noch ein bisschen aufgepumpt, könnte man seine Präsenz und auch seine Stärke (schließlich scheint sein zusammengefrickelter Menschenkörper unzerstörbar, wie Stahl zu sein) einigermaßen nachvollziehen.

So allerdings bleibt er durchweg genauso seelenlos, wie ihn jeder andere seelenlose Charakter im Film nennt und setzt damit den ernüchternden Grundton für I, FRANKENSTEIN, welcher ebenso lustlos und ohne jede Ambition in die Welt gesetzt wurde, ausschließlich den Durchschnitt bedienen soll und sich darüber hinaus nichts Inspiriertes leisten möchte, dafür aber dennoch mehrere Millionen Dollar verschwendet. Die Frage, die für Leute bleibt, welche so eine Misere schon vom ersten Trailer an voraussahen, ob der Film zumindest in Sachen unfreiwilligen Humor noch was zu bieten hätte, kann ich nur insofern beantworten, dass man sich durchaus über die 'Nobody gave a shit'-Attitüde der filmischen Gestaltung mockieren kann sowie über einige ausgewählte Simpelst-Sätze, aber ansonsten ziemlich wenig Raum zur Unterhaltung offen hat und wahrscheinlich nach dem ersten Viertel abschalten will.

Wer aber bis zum Ende durchhält, erhält nichts weiteres als eine erschreckend-uninteressierte Verwässerung des Frankenstein-Mythos, der mit blassen, dem 'heiligen Kampf' verpflichteten, Gargoyles gegen Vampir-ähnliche Dämonen (mit dusseligen Gummimasken) antritt, als ob ein Computer das ausschließlich zweckmäßige Drehbuch entwickelt hätte (welches sich natürlich auch noch eine Fortsetzung offen hält). Im Endeffekt ist dieser Film zwar recht harmlos (sowieso komplett bissfrei) und wird innerhalb kürzester Zeit sicherlich wieder vergessen, als der Tax-Write-Off, der er vom Anbeginn der Konzeption bereits war (und an dem sich bedenklich viele Studios beteiligten). Aber auch das hebt seine bis zum Himmel stinkende Überflüssigkeit kein Stück auf. Naja, hat man was Anderes erwartet, mitten im Dumping-Monat Januar?

2/10

Donnerstag, 16. Januar 2014

"STRASSENBEKANNTSCHAFTEN AUF ST. PAULI" (1968) Review




Trotz anlockendem Titel ein recht ernüchternd-manierlicher St. Pauli-Krimi, der im Vergleich zum Rolf-Olsen & Ernst-Hofbauer-Output keine Energie und Lust für die Darstellung der verruchten, sexy Unterwelt aufbringen möchte. Stattdessen erleben wir die Ausbeutung eines 18-jährigen Mädels, das immer tiefer in die Spirale der Gauner-Tristesse gerät, wovon ihre blass-steife, doch im Auge des Films richtig liegende Mutti von der Sitte sie ja auch durchweg warnt: Es fängt mit dem Rauchen und Bikinis an, da sind Mord und Misshandlung nicht weit.


So hebt sich dann der erzkonservative Moralfinger in überschwängliche Höhen und lässt folglich nicht mal zu, dass man als Zuschauer überhaupt was besonders Aufregendes zu sehen bekommt: die Brüste bleiben meist verdeckt und bei den Shootouts geht keiner drauf. Klar, die Gangster quatschen alle halbwegs zynisch-unmoralisch daher und pflegen einen backpfiffigen Umgang mit Frauen (die natürlich allesamt als absolut wehrlos dargestellt werden), aber eine richtige Bedrohung wird nie draus gemacht.

Paart man das alles noch mit der durchweg lieblos-schablonenhaften Charakterzeichnung aller Figuren: schon macht sich der Film furchtbar langweilig - Schade. Ich kann ja verstehen, dass die Unterwelt keinesfalls ein Zuckerschlecken ist und man diese als solche ruhig mal derbe darstellen kann. So wie dieser Film aber Sexualität strengstens dämonisiert und abendländischen Anstand propagiert, anstatt für irgendwas tatsächlich Verständnis aufzubringen, wenn er sich schon ernsthaft und ehrlich mit dem Thema befassen will - tja das entbehrt jeder Sympathie für das Milieu, wirkt unangenehm-hasserfüllt, starrköpfig-feige und geht mir voll auf den Wecker.


Wundert mich aber kaum, dass der Streifen keinerlei Bock hat, den Sex mit offenen Armen zu empfangen. Schließlich machte sich Regisseur Werner Klingler (sein letzter Film hier übrigens) nach einer langen Karriere als internationaler Schauspieler schon bei den Nazis einen Namen, u.a. indem er den Propagandafilm 'Wetterleuchten um Barbara' (1941) inszenierte und Goebbels anti-englischen 'Titanic' (1943) zuende drehte, nachdem der Originalregisseur Herbert Selpin wegen negativer Äußerungen zur Wehrmacht verhaftet wurde und sodann im Gefängnis 'Selbstmord' beging.

In der Nachkriegszeit profilierte er sich sodann mit Filmen wie 'Razzia' (1947), 'Spion für Deutschland' (1956) und 'Blitzmädels an die Front' (1958), den das Lexikon des internationalen Films als „politisch und moralisch fragwürdigen Kriegsfilm in vorgeblich dokumentarischem Stil.“ bezeichnet. Ich glaube, solche Titel sprechen für sich und sein Bild von 'St. Pauli' passt da ganz gut rein: spießig-mutloser Vorsichts-Mief.

Ein paar positive Aspekte zum Film möchte ich aber auch nicht vorenthalten: so bekommen wir in der Hauptrolle niemand geringeren als Synchronlegende Rainer Brandt zu sehen, der als schmieriger Erpresser-Fotograf und Kollegenschwein immer absolut herrlich zwischen charmantem Nice-Guy-Talk und knallharter Räuden-Schnauze hin- und herpendeln kann, während er eine kaum wiedererkennbare Dagmar Lassander als Spielball krimineller Machenschaften im verdorbenen Puff-Jargon umherschiebt - wer da nicht spurt, wird gewürgt. Wenn der Film einen distanzierteren Unterhaltungsfaktor innehätte und moralische Objektivität/Ambivalenz versuchen/vortäuschen könnte (wie eben Olsen oder Hofbauer), würde seine Performance fast schon richtig Spaß machen. In diesem biederen Kontext bleibt er letztendlich aber nur der klischeehafte Böse von der Stange.

 
Positiv hervorzuheben wäre allerdings noch Jürgen Feindts Rolle des homosexuellen Puff-Arbeiters Jensen, der zwar mit diffamierenden Ausdrücken zugeschüttet wird, allerdings nie homophobe Klischees an den Tag legt und sogar, als einer der wenigen verdient rechtschaffenen Figuren des Films, der Polizei bei der Lösung des Falls helfen will, nachdem sein Chef Radebach (Reinhard Kolldehoff) umgebracht wurde, da er dadurch "einen guten Freund verloren" hat. Dass er am Ende trotzdem abgeschossen wird, ist dann zwar auch irgendwo bitter, aber immerhin wurde er da von den Bösen umgebracht - der Beigeschmack dieser ultimativen "hättest dich mal lieber nicht mit dem Gesindel eingelassen - das ist nun deine Strafe"-Mentalität schlägt mir dennoch irgendwie echt sauer auf.

 
Im Endeffekt bleibt 'Straßenbekanntschaften auf St. Pauli' ein zweckmäßiger, routinierter Krimi (einen Krimi-Reißer würde ich den nämlich nicht nennen, so verschnarcht er sich durch das hier besonders verurteilend wirkende Schwarz & Weiß bewegt), der zwar einigermaßen schickes Lokalkolorit und eine halbwegs aufregende Darsteller-Belegschaft vorzuweisen hat, aber nichts Packenderes damit anzufangen weiß, als sich im kleinbürgerlichen Angst-vor-der-Unterwelt-Konservativen-Mief zurechtzufinden. Und das im Entstehungsjahr 1968. Da steht der Film wohl ganz klar NICHT auf der Seite der gesellschaftlichen 'Revolution', erst recht was den Sex betrifft. Zum Kotzen.