Montag, 23. Januar 2012

"VERBLENDUNG" (2011) Review/Vergleich mit dem Original (2009)


Nennt es den Fluch des Erstkontaktes, aber für mich steht jetzt fest, dass das Remake die weitaus interessantere, stilistisch eigenständigere und tiefgründigere Variante des Stieg Larsson-Stoffes darstellt. Das nur mal vorweg, hier meine genaueren Erläuterungen:

Im Grunde haben beide Filme erstmal komplett andere Stile. Das schwedische Original ist recht traditionell inszeniert, entspricht dabei den internationalen Krimifilmstandards eines relativ modernen TATORTS bzw. annähernd "INSOMNIA". Im Gegensatz zum Remake zeigt es sich offener, geradliniger, weniger komplex, fordert den Zuschauer dadurch aber auch weniger heraus. Es ist heller, farbiger, zeigt weniger Pessimismus, ist emotional oberflächlicher. Auch erscheinen viele Personen, die im Remake verklärt und feindselig rüberkommen, weitaus offener & freundlicher, was zum Nachtteil hat, dass sie weniger mysteriös und interessant wirken, dabei weniger in die Handlung integriert werden, als im Remake. Die Umgebung und das Setting werden im Original normaler behandelt, logisch, da dies ein schwedischer Film ist, die Schweden ihre natürliche Umgebung kennen und diese lediglich dem relativ universellen Krimiplot anpassen. Da das Remake eine amerikanische Produktion ist, die sich mit einem Land beschäftigt, dass nicht der Filmemacher (und der meisten Zuschauer) Heimat ist, wird die Umgebung, das Setting und vorallem die Atmosphäre daher detaillierter und intensiver erforscht, man ist sich mehr über das unbekannte Setting bewusst und vermittelt dem Zuschauer den Reiz und die Furcht vor den Unbekannten, was den unheimlichen und unmenschlichen Verbrechen, die es aufzuklären gilt, sowie den menschlichen Bestien die dahinter stecken, eher entspricht. Besonders ausschlaggebend ist dabei auch der Score, der im Original Hollywood-typisch melodramatisch daherkommt, während im Remake eine weitaus bedrohlichere und kältere musikalische Untermalung geboten wird, die die feindselige Atmosphäre intensiv unterstreicht. Dies macht den Krimiplot im Remake weitaus interessanter und spannender, da dieser im Original durch einen zu laschen Spannungsbogen schnell zweitrangig wird und man eher daran Gefallen findet, Lisbeth Salander's Charakterstudie beizuwohnen. Doch auch hier befindet sich im Original ein Haken: Noomi Rapace wirkt im Gegensatz zu Fincher's enygmatischer Interpretation des Charakters durch Rooney Mara neckischer, menschlicher, unschuldiger, sie geht sozialer & kommunikativer mit ihren Mitmenschen um, womit sie sich den Zuschauern öffnet und von Grund auf sympathisch wirkt, was natürlich kaum Fragen offen lässt - man kann sie zu schnell einschätzen (selbst ein moralischer Umschwung ihrerseits gegen Ende des Films wird durch eine längere Moralpredigt relativiert, das Remake verzichtet dankenderweise darauf). Dadurch beschränkt sich das Interesse in der zweiten Hälfte des Originals nur noch darauf, wie Lisbeth & Mikael zusammenarbeiten/als Team funktionieren. Auch hier beweist das Remake mehr Tiefe, da die Charaktere eine weite Zeitlang dem Zuschauer unschlüssig bleiben und so das Interesse steigern, die ultimative Vereinigung/emotionale Bindung der Beiden kommt weniger diktiert, glaubhafter als im Original rüber, vorallem Lisbeth's Charakterzeichnung gerät weitaus tiefschürfender. Diese Tiefe zahlt sich im Remake auch am Ende aus, wo das Happy End des schwedischen Originals durch ein menschlich nachvollziehbareres, tragischeres, aber auch nicht tränendrüsigeres, ersetzt wurde, dass der Charakterentwicklung Lisbeth's & der Auflösung ihres Anteils an der Geschichte eher gerecht wird. Was das Remake aber weitaus erhabener macht als das Original ist einfach der intensivere Umgang mit Furcht & Terror, was der recht düsteren Handlung AUCH eher entspricht. Alles kommt weitaus eindringlicher und beklemmender rüber, Furcht wird spürbarer, ausweglose Lagen näher und kälter, unaushaltbarer, düsterer, unmenschlicher, vermittelt, als im Vergleich dazu gnädig-mainstreamigen Original, zudem passt es wie erwähnt einfach wesentlich besser zur verstörenden Story & Charakteren, sowie dem im Remake stets allgegenwärtigen unbarmherzigen Winter. Fazit: Das schwedische Original ist ein unterhaltsamer, doch leicht oberflächlicher Standart-Krimi mit einer ausgeprägten weiblichen Titelfigur, den man gut zwischendurch goutieren kann. Das Remake hingegen ist eine düster-böse, unheil- sowie anspruchsvolle Tour-de-Force, inkl. einer dichten Atmosphäre, einem spannenden und ansprechend orchestriert inszenierten Plot - ein Film, der jedes Publikum, jeden Zuschauer in ungemütliches Schweigen versetzt und doch berührt, ohne sentimental zu werden. Klare Empfehlung für Fincher's Variante!

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