Donnerstag, 1. März 2012

SHAME (Jetzt im Kino)


Nach seinem grandiosen Erstlingswerk HUNGER (2008) liefert uns Steve McQueen hier seine zweite Regiearbeit ab und bleibt seinem ruhigen, voyeuristischen Erzählstil treu, lässt dabei wieder Michael Fassbender als Hauptdarsteller recht intensiv schauspielern und die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele erforschen.

Herausgekommen ist ein Film über Einsamkeit und Sucht, zwei menschliche Problemzustände, die sich in dieser Geschichte gegenseitig als Ursache und Wirkung voneinander herausstellen. Die Charakterstudie über einen Sexsüchtigen (Fassbender) kommt aber nicht als finger-zeigende Moral-Lektion daher (liefert auch nicht platt-schockierende Magenschläge der bloßen Provokation wegen), sondern zeichnet ein durchaus realistisches Bild, wie Menschen in einer modernen, urbanen Gesellschaft miteinander leben, in der sie vergeblich nach Zuneigung suchen, wie z.B. die Schwester des Protagonisten (Carey Mulligan), die zusehends von ihrem Bruder im Stich gelassen wird, während er ziellos nach Befriedigung suchend durch die Straßen streift, beide allerdings keinen Halt finden können, schon gar nicht zueinander.

Jemanden wie mir, der auch erst vor kurzem in eine Großstadt gezogen ist, geht solch eine tragische, doch ehrliche Geschichte recht nahe, denn sobald man aus dem Kino raus ist (gerade abends), erkennt man die Neonlichter der Großstadt, die U-Bahnen und die einsamen Seelen, auch mitunter in sich selbst, schnell wieder.

Das ist dann auch die große Stärke des Films, der Realismus, an dem vorallem die großartigen Darsteller einen starken Anteil haben, sowie die eingangs erwähnte voyeuristische Kamera (ähnlich wie in Haneke's CACHÉ), der geduldige Schnitt (ein typisches Arthouse-Mittel, dass vorallem bei McQueen's Filmen recht radikale Formen annehmen kann) und die bedrückend glatte, dunkle Atmosphäre des Drehortes New York City.

Also, geb ich meine Empfehlung für diesen Film heraus? Lasst es mich so ausdrücken: Es ist ein Arthouse-Film, mehr noch als das, was die Meisten von uns in letzter Zeit als Arthouse-Film zu verstehen bekommen (z.B. DRIVE), das heißt u.a.: Es wird einem dank der recht langen Einstellungen und dem langsamen Erzähltempo reichlich Zeit gegeben, über die INNERLICHEN Zustände und Vorgänge der Protagonisten, deren Konsequenzen für die Handlung und die Botschaft des Films nachzudenken, sprich: Diese Dinge werden einem nicht auf dem Silbertablett serviert, man erforscht sie selber, kann sie logisch zusammensetzen (obwohl es alles nicht wirklich kompliziert ist, sondern für manche nur so scheinen kann). Wer dies berücksichtigen kann und will, der sollte sich diesen Film angucken.

Fazit: Sehr guter Film, aber nur für Leute, die sich mit dem ungewöhnlichen Erzähltempo anfreunden können.

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